75 Jahre Kriegsende Keine Politik ohne Geschichte

Ein Gastbeitrag von Heiko Maas und Andreas Wirsching
 
Allein Deutschland trägt die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und den Holo-caust. Wer daran Zweifel sät und andere Völker in eine Täterrolle drängt, der fügt den Opfern Unrecht zu.
 
07.05.2020, 13.17 Uhr
 

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Die Deutschen zahlten mit diesem Tag den Preis dafür,dass sie den 30. Januar 1933 ermöglicht hatten und sich nicht selbst vom Nationalsozialismus befreien konnten. In den Trümmern deutscher Städte blickte die große Mehrzahl der Menschen voller Angst und Verzweiflung in die Zukunft. Es dauerte 40 Jahre bis Richard von Weiz-säcker auch im deutschen Namen von "Befreiung" sprechen und dabei zumindest eine Mehrheit der westdeutschen Gesellschaft hinter sich wissen konnte. Möglich machte dies erst die oft schmerzhafte, von Rückschlägen geprägte Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Soldaten der Roten Armee am Brandenburger Tor in Berlin, 20. Mai 1945 AP

Diese Erfahrung zeigt: Es lassen sich Lehren ziehen aus der Geschichte - zumal aus ihren Katastrophen. Dass von deutschem Boden nie wieder Krieg oder Menschheits-verbrechen ausgehen dürfen, ist heute unverrückbarer Kern deutscher Außenpolitik. Unser Eintreten für ein starkes und geeintes Europa, für die Menschenrechte als uni-verselle Ausprägung menschlicher Würde,für regelgebundene,internationale Koope- ration, die Absage an deutsche Sonderwege - all' dies speist sich aus dem Wissen um die beispiellosen Verbrechen Deutschlands im 20. Jahrhundert, die im Holocaust ihren monströsesten Ausdruck gefunden haben.

Wer heute einen Schlussstrich ziehen will unter diesen Teil deutscher Geschichte, der verhöhnt nicht nur die Opfer. Er beraubt deutsche Politik ihrer Glaubwürdigkeit. Denn: Selbstkritik und Selbstbewusstsein bedingen einander. Für kein Land gilt das mehr als für unseres.
Politik ohne Geschichte ist für uns undenkbar. Aber wie verhält es sich umgekehrt? Wie viel Politik verträgt die Geschichte? Wie eng die Wechselwirkung zwischen bei-dem ist, spüren wir bei  praktisch jeder internationalen Begegnung. Auch der Blick auf den 8. Mai unterscheidet sich oft ganz grundlegend.